Amicitia heißt Freundschaft und Inklusion

Amicitia heißt Freundschaft und Inklusion

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Unter diesem Motto startete Mitte Oktober ein Ruderworkshop des Mannheimer Rudervereins Amicitia. In Kooperation mit der Schloss-Schule Ilvesheim konnten 6 Schüler des Internats für Sehgeschädigte erste Erfahrungen im Ruderboot auf dem Neckar sammeln. „Blinde und sehbehinderte Kinder haben häufig Schwierigkeiten, eine sportliche Betätigung zu finden, die ihnen einen körperlichen Ausgleich verschafft, die ihnen Spaß bereitet und die sie ohne wesentliche Anpassungen an die Behinderung, erlernen können“ erklärt Julian Schlegel, der zur Zeit als Referendar an der Schloss-Schule die Ruder-AG betreut. Defizite in der motorischen Entwicklung der Kinder und Fehlhaltungen, insbesondere der Rücken‐ und Rumpfmuskulatur, sind häufig auftretende Begleiterscheinungen, die durch geeignete sportliche Aktivitäten vermieden werden können. Der Rudersport ist für blinde und sehbehinderte Kinder geradezu ideal, da alle dafür erforderlichen Fähigkeiten über das Gehör sowie den Tast- und Gleichgewichtssinn erlernt werden können. Selbst erfahrene Ruderer schließen beim Training oder im Wettkampf manchmal die Augen, um „mehr Gefühl fürs Boot“ zu bekommen. Das Inklusionsprojekt des Rudervereins und der Schloss-Schule Ilvesheim soll allerdings nicht nur sehgeschädigten Kindern zu sportlicher Betätigung verhelfen, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Integration von Behinderten in das Vereinsleben leisten. Die Integration von sehgeschädigten Kindern stellt vor allem für sehende Kinder eine Herausforderung dar, denn sie müssen lernen, auf schwächere Rücksicht zu nehmen und ein Gespür für die spezifischen Probleme behinderter Kinder zu entwickeln. Diese Erfahrungen sind äußerst wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung Heranwachsender und leisten einen wichtigen Beitrag für ein tolerantes Miteinander innerhalb und außerhalb des Vereins. Quelle Foto: Schloss-Schule Ilvesheim, www.schloss-schule-ilvesheim.de Die Umsetzung des Inklusionsprojektes stellt allerdings sowohl die Trainerin des Vereins als auch die Lehrer der Schloss-Schule vor größere Herausforderungen: Wie kann der Ablauf des Trainings für sehgeschädigte Kinder sicher gestaltet werden? Der Weg mit dem 90 Kilogramm schweren Boot gestaltet sich hindernisreich, denn eine Straße, eine Straßenbahntrasse, ein Radweg und eine steile Ufertreppe müssen überquert werden, bevor das Boot ins Wasser gelegt werden kann. Mit Jens Appelbohm vom Oldenburger Ruderverein konnte ein kompetenter und erfahrener Berater in allen Fragen rund um den Rudersport mit Sehgeschädigten gewonnen werden. Appelbohm, der in der Vergangenheit bereits zahlreiche Preise für sein ehrenamtliches Engagement im Behindertensport erhalten hat, erklärte sich spontan bereit, die Amicitia zu besuchen und den Verein bei der Implementierung des Projektes zu unterstützen. Zwei Tage nahm sich der Oldenburger Zeit für einen Ruderworkshop mit den Kindern und Lehrern der Schloss-Schule, begutachtete das Bootshaus, gab Trainern und Lehrern Tipps zur ruderischen Ausbildung von Sehgeschädigten und ging schließlich auch mit den Kindern im Ruderboot auf den Neckar. Viele Sehgeschädigte lernen die komplexe Rudertechnik erstaunlich schnell, denn sie können hören, ob sie die „Skulls“, wie die Paddel bei Ruderern genannt werden, richtig herum halten und ob das Blatt ins Wasser eintaucht oder auf die Wasseroberfläche klatscht – ihre Augen brauchen sie dafür nicht. „Einige der Kinder haben sich als wahre Naturtalente entpuppt“ resümiert Appelbohm. Ihn überrascht das nicht, immer wieder erlebt er, wie Sehgeschädigte im Boot ihre „Behinderung“ hinter sich lassen und mit sportlichen Erfolgserlebnissen neues Selbstvertrauen erlangen.

Dr. Nicole Tieben


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