Henley Royal Regatta 2019 – Thames Challenge Cup
Anfang des Jahres habe ich beschlossen in die Schwergewichtsklasse zu wechseln. Glücklicherweise habe ich eine sehr kompetitive Trainingsgruppe in Köln und Umgebung gefunden, welche sich auf die Henley Royal Regatta vorbereitete. Das Ziel der Trainingsgruppe war es, aus dem 20 Mann starken Kader einen Achter zu selektieren, der an der Henley Royal Regatta erfolgreich abschneiden sollte. Nach internen Ausscheidungen in Köln am Stützpunkt und an Regatten in Mannheim, Duisburg und Ratzeburg, war klar, dass ich einen Platz im Achter sicher hatte. Im Bug hatte ich mir meinen Platz erkämpft und blickte gespannt in Richtung Henley.
In der beschaulichen Kleinstadt Henley on Thames findet seit 1839 jedes Jahr Anfang Juli die Henley Royal Regatta statt. Dies ist die älteste bekannte Ruderregatta der Welt und eine Rudererkarriere ist nicht vollendet, wenn man nicht mindestens einmal dort am Start gewesen ist. Hier ging ich mit der Bonner Ruder-Gesellschaft im „Thames Challenge Cup“, dem Event für Clubachter an den Start.
Die Besonderheit dieser Regatta ist neben dem einmaligen Flair- die Veranstaltung zählt neben dem Pferderennen in Ascott und dem Tennisturnier in Wimbledon zu den Sportereignissen im Vereinigten Königreich- der K.O.-Modus. Es gibt keinen Hoffnungslauf und keine 2. Chance- einen Fehler darf man sich nicht erlauben- und genau das macht den besonderen Reiz dieses Wettkampfes über 2112 Meter Streckenlänge aus.
Dienstag
Nach der Anreise erfolgte am Abend erfolgte nach dem Aufriggern des Bootes
noch eine kurze Trainingseinheit auf dem legendären Regattakurs, bei der sich der BRG-Achter
auf dem zweitlängsten Fluss in England gewöhnen konnten.
Ein gemeinsam zubereitetes Abendessen und die „Einkleidung“ mit Einteilern, Shirts, Shorts, Hoodies, Hemden, Anzügen und Fliegen rundeten diesen ersten Henley-Tag verheißungsvoll ab.
Mittwoch
Am Mittwoch ging es für den Achter am Nachmittag im ersten Rennen um den Einzug in die Runde der besten 16.
Gegner war das dritte Boot des Seriensiegers vom Thames RC. Relativ schnell nach dem Start zeichnete sich ab, dass die Drittvertretung des letztjährigen Siegers uns nicht gewachsen war. Wir fuhren einen deutlichen Sieg ein. Nach dem gemeinsamen Abendessen analysierte die Crew nun die Rennen der Gegner sowie das eigene via YouTube auf dem Fernsehbildschirm, bevor nach Bekanntwerden des Zeitplans für den nächsten Tag alsbald die Betten aufgesucht wurden.
Donnerstag
Der Tag startete früh. Um 9:30 fiel der Startschuss im ersten Thames-Challenge-Cup-Rennen des Tages gegen die Mannschaft von Agecroft RC. Dies war kein unbekannter Gegner, denn bereits im letzten Jahr ist der Bonner Achter ebenfalls am Donnerstag gegen Agecroft Rc gefahren.
Nach einem Start auf Augenhöhe setzten wir uns Stück für Stück ab, verpassten es aber, den Gegner über die Strecke endgültig zu brechen, sodass es bei einem Abstand von einer Bootslänge bis kurz vor dem Ziel blieb, die der Agecroft-Achter mit seinem Endspurt noch etwas verkürzen konnte- allerdings hatte Steuerfrau Clara Drewes zu diesem Zeitpunkt bereits realisiert, dass der gegnerische Achter den Vorsprung keinesfalls mehr egalisieren konnte und somit auf die Ansage eines Endspurtes verzichtet, um Kräfte zu schonen.
In der Gesamtheit war die Aufgabe gut gelöst, allerdings war sich das Team um Trainer Heiner Schwartz einig, dass für den nächsten Renntag noch etwas mehr Souveränität und Sicherheit an den Tag gelegt werden musste.
Freitag
Für den Achter ging es am Freitag zur selben Zeit wie am Vortag wieder auf die Strecke. Diesmal kam der Gegner aus Neuseeland vom Wairau Rowing Club. Die auch als „Bad Boys Rowing“ bekannte Mannschaft und fünfplatzierte der neuseeländischen Meisterschaften galt es zu schlagen. Direkt am Start machten wir sehr schnell klar, wer der Sieger sein wird. Bereits nach 5 Startschlägen war eine gute Viertellänge herausgefahren, die bis zur „Barrier“ (ca. 600 m) kontinuierlich ausgebaut wurde. Ab der Streckenhälfte („Fawley“) konnte bereits das Tempo herausgenommen und die Kräfte für den nächsten Tag gespart werden. Im Ziel waren es 2,5 Bootslängen. Doch bevor wir uns freuen konnten, musste sich Steuerfrau Clara Drewes noch eine kleine Standpauke von dem bekannten Schiedsrichter Boris Rankov anhören, der ihr ein absichtliches Steuern in die benachbarte Bahn unterstellte. Dies war allerdings ohne Hintergedanken den extrem schwierigen Strömungsverhältnissen hinter „Temple Island“ geschuldet, welche ein Driften in die benachbarte Bahn ohne unverhältnismäßig harte Eingriffe in das Steuer unvermeidbar machten.
Samstag
Der Samstag startete für uns anders als die letzten Tage. Statt eines der ersten Rennen des Tages bestreiten zu müssen, stand das Halbfinale gegen die holländische Mannschaft von Okeanos erst am frühen Abend um 17:30 Ortszeit an. Doch wer nun an langes Ausschlafen denkt, ist fehl am Platz. Um kurz nach Acht drehten wir eine kleine Trainingsrunde, um die Müdigkeit aus den Gliedern zu spülen und sich die notwendige Spritzigkeit für das anstehende schwere Rennen am Abend abzuholen. Den Rest des Tages wurde „recovered“ um die Aktivitäten kurz in der Landessprache zusammenzufassen.
Nach dem Ende der Pause war es dann soweit. Es ging um den Einzug in das Finale des Thames-Challenge Cups! Bereits die Halbfinalteilnahme war der größte Erfolg der Bonner Clubachter-Geschichte und den Sportlern wurde die Ehre zuteil, am Henley-Samstag rudern zu dürfen und den besonderen Spirit des besucherreichsten Wettkampftages mit dem Warmrudern in der Strecke
zu erleben- Gänsehaut inklusive. Trainer Heiner Schwartz fand die passenden Worte in einer sehr emotionalen Rennbesprechung.
Das Rennen selbst wurde zu dem erwarteten und zermürbenden Bord-an-Bord-Kampf. Nach einem starken Start musste der BRG-Achter die Amsterdamer zwischen dem Ende von Temple Island, also in der Nachstartphase und der Barrier leider eine Dreiviertellänge ziehen lassen.
Danach hatten wir uns gefunden, kamen in einen guten Rhythmus und setzen eine ganze Serie von Zwischenspurts, auf die Okeanos aber leider immer eine passende Antwort fand. Selbst ein perfekter Schlussspurt half uns nicht mehr, den Gegner vor dem Ziel zu überrudern.
Somit platzte der ersehnte Traum vom Finale leider am Abend dieses 6. Juli. Zuerst war die Enttäuschung groß und es galt, die Niederlage im engsten Mannschaftskreis fürs erste zu verarbeiten. Doch nach einer aufbauenden Ansprache des Trainers, aus der man im Wesentlichen gemeinsam resümierte, dass dieses Halbfinale das beste Rennen aller vier bestrittenen Rennen war und man sich tapfer geschlagen hatte, hoben sich die Köpfe wieder fürs Erste.
Im Anschluss wurden Hände geschüttelt, tröstende Worte empfangen viele Fotos mit Fans, Familie, Freunden und Sponsoren gemacht.
Nachdem das Boot abgeriggert und verladen war, gab es dann für alle nach 4 Tagen enthaltsamer Sportlernahrung erst einmal ein kaltes Bier. Dieses und noch einige mehr, sowie der ein oder andere Pitcher Pimms leiteten dann den gesellschaftlichen Teil der Veranstaltung ein. Eine ausgiebige Partynacht hatten sich alle Beteiligten nach den kräftezehrenden Rennen- egal ob als Unterstützung an Land oder Sportler auf dem Wasser- redlich verdient…
So endete die Teilnahme der Bonner Boote an der ältesten Ruderregatta der Welt mit insgesamt sehr zufriedenstellenden Ergebnissen. Wir konnten mit dieser Leistung in England (Top 4 von 49 Booten im Achter) national wie auch international zeigen, dass Clubrudern auf Spitzenniveau betrieben wird.
Vielen Dank für die Unterstützung der Mannheimer Amicitia bei meinem Projekt! Ohne den Verein, wäre es mir nicht möglich gewesen dort an den Start zu gehen.
Wir gratulieren Leon herzlichst zu diesem tollen Ergebnis!